Der Einfluss des Klimawandels auf die Geldanlage
Die Klimaerwärmung zu stoppen, ist vielleicht die größte Herausforderung dieses Jahrhunderts. Mobilität, Ernährung und Produktion stehen vor gewaltigen Umbrüchen. Der Klimawandel ist längst keine abstrakte Bedrohung mehr, sondern eine Realität, die uns unmittelbar betrifft. Die Folgen, die der Klimawandel mit sich bringt, haben bereits jetzt drastische Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlagen und die Weltwirtschaft. Welche Rolle kann die Geldanlage bei der Lösung dieses Problems spielen?
Eine Amazon Prime-Video-Produktion thematisierte das Thema Klimakrise jüngst-gemeinsam mit dem TV-Moderator Joko Winterscheidt in der Sendung „The World’s Most Dangerous Show“. Auch wenn grundsätzlich weitestgehend Konsens besteht, dass der Schutz unserer Natur wichtig ist, so ist jedoch der Weg zum Ziel unklar. Auch Joko stößt in seinen Beiträgen immer wieder an einen Punkt, wo „richtig“ und „falsch“ nicht so einfach zu beantworten ist. „Wo soll man anfangen?“, „wie soll man vorgehen?“ und „kann ich überhaupt etwas ausrichten?“ Diese Fragen begleiten den Moderator die Sendung hindurch. Bei Zuschauern bleibt ein Gefühl der Überwältigung angesichts der Komplexität und Vielzahl der Probleme.
Geldströme umlenken für eine bessere Zukunft?
Im Laufe seiner Recherchen kommt Joko immer wieder auf die Bedeutung des Geldes bei der Entstehung bzw. Lösung der Klimakrise zu sprechen. Investoren spielen nämlich dabei eine entscheidende Rolle: Verfolgt die Mehrheit der Geldgeber allein das Ziel der Gewinnmaximierung, beachten Unternehmen kaum die Umweltkosten, die in dem Produktionsprozessen entstehen. Sie externalisieren die Kosten für die Verschmutzung der Meere, Rodung von Wäldern oder der Verpestung der Luft. Billige Energie aus fossilen Rohstoffen halten die Produktionskosten niedrig, denn für die den Ausstoß von CO2, das bei der Verbrennung der Rohstoffe wie Öl oder Kohle entsteht, musste bisher kein Produzent einen nennenswerten Betrag bezahlen. Leidtragende sind aber wir alle als Menschheit, egal ob in Europa, Amerika oder einem anderen Kontinent. Die Klimakrise ist eine globale Krise. Da die Welt immer mehr produziert und das gesamte System auf ständiges Wachstum ausgerichtet ist, wird diese Einstellung zum Umgang mit unseren Rohstoffen an ihre Grenzen stoßen. Wenn wir unseren derzeitigen Ressourcenverbrauch beibehalten, werden wir bis 2050 das Äquivalent von fast drei Planeten benötigen.
Ein Umdenken ist also dringend erforderlich und das schnell. Die Recherchen in Joko’s Dokumentation führen ihn zur größten und einflussreichsten Investment-Gesellschaft der Welt: „BlackRock“. Diese Gesellschaft verwaltet zehn Billionen Dollar und könnte für einen Wandel sorgen. Damit verfügen Sie über eine Einflussmöglichkeit bei den Unternehmenslenkern weltweit und können sie dank der Stimmrechte dazu bewegen, die Unternehmen nachhaltiger wirtschaften zu lassen. Ddie„Um“-lenkung von Kapital hin zu nachhaltigen Unternehmen ist nicht die einzige Lösung, aber sie kann einen enormen Hebel entwickeln. Ohne billiges Geld verlieren nicht nachhaltige Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit und verlieren gegenüber nachhaltigen Unternehmen, die günstiger an Kapital kommen. So zumindest die Idee, die auch die EU aufgegriffen hat.
EU reguliert: Gute Idee, schlecht umgesetzt?
Zur Umsetzung der Ziele der Pariser Klimakonferenz von 2015 wurde 2018 der EU-Aktionsplan für nachhaltiges Finanzwesen ins Leben gerufen. Ziele des Aktionsplans sind die Umlenkung privaten Kapitals in nachhaltige Investitionen mit einer einheitlichen Kennzeichnung (Taxonomie), die Förderung von Transparenz und Langfristigkeit (u.a. Offenlegungsverordnung), sowie die Verankerung von Nachhaltigkeit im Aufsichtsrecht (Risikomanagement, Rating, Kapitalanforderungen).
Vorrangiges Ziel der Offenlegungsverordnung ist es, eine einheitliche Transparenz darüber zu gewährleisten, ob es sich um Produkte handelt, die nachhaltig investieren bzw. nachhaltige Kriterien bei der Investition berücksichtigen oder nicht. Es ist also kein „Muss”, ein „nachhaltiges Finanzprodukt” im Sinne der Offenlegungsverordnung aufzulegen. Anleger sollen lediglich bei ihrer Anlageentscheidung umfassend informiert werden und durch die Vereinheitlichung von Art und Umfang der Informationen Produkte besser vergleichen können.
Das sind die Auswirkungen für Anleger
Das neue Rahmenwerk wirkt zunächst jedoch komplex und unübersichtlich. Zunächst müssen Anleger, die in Finanzprodukte investieren möchten, gefragt werden, ob überhaupt der Wunsch besteht, nachhaltig zu investieren.
Beantworten sie diese Frage mit “Ja”, müssen Anlageberater anschließend erfragen, nach welcher von drei Möglichkeiten Ihr Geld nachhaltig angelegt werden soll.
Diese drei Kategorien sind:
- Ökologisch-nachhaltige Investitionen, gemäß der Taxonomie-Verordnung.
- Nachhaltige Investitionen, gemäß der Offenlegungsverordnung.
- Investitionen, die „nachteilige“ Nachhaltigkeitsauswirkungen (PAIs) berücksichtigen.
Die Kategorisierung von nachhaltigen Geldanlagen klingt für Viele beim ersten Lesen eventuell sehr bürokratisch und etwas sperrig. Auch die Unterschiede sind für viele Menschen nicht gleich klar. Daher wollen wir sie im Folgenden etwas genauer erklären.
Die Taxonomie klassifiziert Wirtschaftsaktivitäten nach ihrer Nachhaltigkeit. Ökologisch-nachhaltig ist nach der Taxonomie eine Wirtschaftsaktivität, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem dieser sechs Umweltziele leistet:
- Klimaschutz
- Klimawandelanpassung
- Nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen
- Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung von Umweltverschmutzung
- Schutz von Ökosystemen und Biodiversität
Werden diese Kriterien erfüllt, bezeichnet man das als „taxonomiekonform“.
Hier wird ein erstes Problem deutlich: Wie gehen wir mit unterschiedlichen Meinungen um, was genau als taxonomiekonform gilt. Ein Beispiel: Gas und Kernenergie gelten nach der EU-Taxonomie ab Anfang 2023 als nachhaltig. Für die Einstufung als nachhaltig wird beim Gas vor allem Deutschland als wichtiger Akteur gesehen. Bei der Kernenergie ist Frankreich besonders wichtig. Beide Länder setzen traditionell stark auf den einen oder anderen Energieträger. Bei der Verbrennung von Gas entsteht klimaschädliches CO², bei der Atomenergie radioaktiver Müll. Umweltverbände kritisieren diese Einstufung als Greenwashing. Wer hat nun recht?
EU-Taxonomie und Offenlegungsverordnung
Die Offenlegungsverordnung, auch Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR)” genannt, soll Standards in Europa vereinheitlichen und die Vergleichbarkeit von Finanzprodukten fördern.
Ziel der nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen (PAI) ist es, negative Auswirkungen eines Investments zu vermeiden. Dabei stellt sich die Frage, anhand welcher Kriterien die Berücksichtigung nachgewiesen werden soll.
Insgesamt gibt es 64 verschiedene Indikatoren für negative Nachhaltigkeitsauswirkungen.
Der Unterschied zwischen einer Investition gemäß der Taxonomie und der Offenlegungsverordnung liegt in der Berücksichtigung der Nachhaltigkeit:
- Eine Investition nach der Taxonomie berücksichtigt derzeit ausschließlich ökologische Aspekte.
- Bei einer Investition nach der Offenlegungsverordnung werden zusätzlich auch Kriterien aus den Bereichen Soziales und Unternehmensführung einbezogen.
Die Herausforderung für Anbieter von Finanzprodukten ist, geeignete Produkte zu finden, die so individuell sind, dass Anleger genau bestimmen können, welche Nachhaltigkeitsaspekte in der Geldanlage berücksichtig werden sollen. In der Praxis ist das aktuell nicht darstellbar. Bei der wevest unterstützen wir die Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte bei der Vermögensanlage insofern, dass wir grundsätzlich die Produkte bei der Auswahl bevorzugen, die Umwelt-, soziale und Aspekte der guter Unternehmensführung berücksichtigen. Diese finden sich insbesondere in unseren ETF Produkten LIQUID und BALANCE wieder. Da wir allerdings die Vielzahl an Kombinationen möglicher Aspekte, die Anlegerbei der Geldanlage berücksichtigen können, nicht zu Lasten der Portfoliokonstruktion umsetzen können, gibt es bei der wevest aktuell nicht das Angebot einer reinen, nachhaltigen Geldanlage. Für uns steht im Vordergrund, eine gute Portfoliokonstruktion mit — soweit möglich — nachhaltigen Produkten umzusetzen, auch wenn wir dies nicht explizit so „verkaufen“.
Fazit
Die Klimakrise ist vielleicht die größte, globale Herausforderung, der wir als Menschheit gegenüberstehen. Um den nächsten Generationen eine lebenswerte Zukunft hinterlassen zu können, müssen wir handeln. Die Lenkung von Finanzströmen hin zu nachhaltigen Investitionen ist eine Maßnahme, die tatsächlich einen großen Einfluss auf die Veränderungen haben kann, die wir so dringend benötigen. Die EU hat diese Idee aufgenommen und ein Regelwerk verabschiedet, welches direkten Einfluss auf die Auswahl der Geldanlage von Anlegern hat. Die Umsetzung dieser Regulierung ist grundsätzlich zu begrüßenden, sie ist allerdings in der Praxis recht komplex. Dies liegt zum einen an streitbaren Positionen, was und wie genau „Nachhaltigkeit“ definiert sein soll. Zum anderen fehlen Strukturen und Produkte, um die vielfältigen Möglichkeiten, die Anleger bei der Entscheidung darüber, wie eine nachhaltige Geldanlage individuell umgesetzt werden soll, transparent umsetzen zu können. Aus diesem Grund setzen wir den nachhaltigen Gedanken bei wevest um, gleichzeitig möchten wir aber nicht den Anschein erwecken, jede einzelne Investition nach genauen Vorgaben umsetzen zu können, ohne dafür die passenden Produkte am Markt zu finden. Wichtiger ist es, unseren Kunden ein Portfolio anzubieten, was sinnvoll Produkte kombiniert, die den „ursprünglichen Geist“ des EU-Aktionsplans umsetzen, ohne sich dabei im „Klein-Klein“ der Regulatorik zu verlieren.